1700 bis 3600 Kilometer neuer Höchstspannungsleitungen müssen bis 2020 gebaut werden, empfiehlt die Deutsche Energie-Agentur (dena) in ihrer im November letzten Jahres vorgelegten „Netzstudie II“. Damit soll das deutsche Stromnetz fit gemacht für die Aufnahme von rund 40 % Stromanteil aus erneuerbaren Energien (EE), insbesondere der zunehmenden Einspeisungen von Offshore-Windenergie. Mit dem inzwischen beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie erscheint ein solcher EE-Stromanteil in rund zehn Jahren durchaus realistisch, heute liegt er bereits bei 17 %.
Auch wenn EE-Branchen- und Umweltverbände den von der dena geschätzten Ausbaubedarf für weit überzogen halten, Tatsache ist: Das deutsche Stromnetz gerät bereits heute fast täglich an seine Leistungsgrenzen. Dies liegt vor allem daran, dass die fluktuierenden Einspeisungen aus Wind und Sonne und die nur schwer regelbaren Kohle- und Kernkraftwerke nicht zusammenpassen. Bei hohem Windaufkommen müssen deshalb immer häufiger Windräder abgeregelt oder abgeschaltet werden, während Großkraftwerke im unrentablen Teillastbetrieb laufen.
Hinzu kommt, dass Stromproduktion und -verbrauch regional ungleich verteilt sind. Während das Gros der Windenergie in Norddeutschland erzeugt wird, sind die größten industriellen Verbraucher überwiegend im Süden und Westen angesiedelt. Auch die großen Pumpspeicher, die den überschüssigen Strom wenigstens vorübergehend aufnehmen könnten, liegen naturgemäß in den gebirgigen Regionen und nicht an der Küste. Ohne leistungsfähige Stromautobahnen, die den überschüssigen Strom dorthin transportieren, wo er verbraucht oder gespeichert werden kann, ist die Stabilität des Stromnetzes auf Dauer nicht zu gewährleisten.
Rund 10 bis 29 Milliarden Euro würde der von der dena geforderte Ausbau des Höchstspannungsnetzes je nach eingesetzter Technologie – normale Freileitungen, Hochtemperaturseile oder Erdkabel – kosten. Das klingt nach viel, würde den Strom, auf die Kilowattstunde umgelegt, aber nur um einige Centbruchteile verteuern. Das Problem liegt woanders: Die Planungen neuer Stromtrassen sind langwierig und stoßen zudem oft auf Widerstand bei Anliegern und Gemeinden.
So konnten seit 2005 nur 90 Kilometer neuer Leitungen realisiert werden, viele wichtige Projekte – darunter die „Thüringer Strombrücke“ nach Bayern – kommen seit Jahren nicht voran. Ob in Zukunft ein schnellerer Ausbau gelingt, wird daher nicht zuletzt davon abhängen, ob sich die Bürger vor Ort von der Notwendigkeit des Netzausbaus überzeugen lassen. Effizientere, transparente Planungsverfahren sind hierfür ebenso gefragt wie eine stärkere Bürgerbeteiligung, wenn es um Fragen der Trassenführung und Leitertechnologie geht.